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Gemeinsame Vorbereitung für Olympia

v.l.n.r.: Christoph Fildebrandt, Andrii Govorov

Ein Interview mit Christoph Fildebrandt & Andrii Govorov.

Herzlichen Glückwunsch, Christoph, zur Olympia-Qualifikation!

Wie fühlst du dich?

Christoph: Ehrlich gesagt sind die Gefühle etwas gemischt. Es ist natürlich toll zu wissen, dass man bei den Olympischen Spielen dabei sein wird, allerdings war ich mit meiner Leistung nicht so zufrieden. Direkt danach hat es sich irgendwie nicht „richtig“ angefühlt, sich mit dieser Zeit zu qualifizieren. Am Ende war ich eine hundertstel Sekunde unter der Qualizeit – da hatte eine bessere Zeit erwartet. Letztendlich hatten wir ja auch das Ziel die Qualifikation nicht nur für die Staffel sondern auch für einen Einzelstart über 100 m und 50 m Freistil zu schaffen. Die Zeiten waren aber an den beiden Wochenenden leider für mich nicht machbar, daher bin ich jetzt einfach glücklich, dass ich mich für die Staffel qualifiziert habe.

Sowohl die Vorbereitung als auch die Wettkämpfe selbst sind in diesem Jahr aufgrund der Corona-Pandemie etwas anders abgelaufen; zum Beispiel waren keine Zuschauer*innen vor Ort. Wie war das für dich?

Christoph: Ehrlich gesagt sind bei den Deutschen Meisterschaften im Schwimmen selten viele Zuschauer*innen anwesend. Meist sind es die anderen Athleten, die uns anfeuern und für die Stimmung sorgen. Da aber auch deutlich weniger Athleten da waren, war die Atmosphäre schon anders als normal aber nicht so deutlich wahrnehmbar. Letztendlich war es für uns Schwimmer*innen einfach wichtig überhaupt mal wieder einen Wettkampf zu haben. Ich habe mich auch sehr sicher gefühlt, da alle Teilnehmer*innen sehr häufig getestet wurden – ich selbst hatte 6 oder 7 Covid-Tests in 10 Tagen. So musste jede/r bei der Ankunft in Magedburg und Berlin einen Schnelltest machen um überhaupt trainieren zu dürfen, dann vor den Wettkämpfen einen PCR Test und an jedem Wettkampftag nochmal einen Schnelltest. Es war also alles sehr gut organisiert und wir haben uns gut vor einer Infektion geschützt gefühlt.

Und wie war die Vorbereitung unter Corona-Bedingungen, insbesondere ohne Wettkämpfe? Würdest du sagen es gibt hier in Saarbrücken besondere Voraussetzungen um in so einer Zeit trainieren zu können?

Christoph: Glücklicherweise konnte ich drei Wochen vor Magdeburg an einem kleinen Wettkampf am Bundesstützpunkt in Heidelberg teilnehmen, denn es hat sich wirklich seltsam angefühlt nach so einer langen Zeit wieder ein Rennen zu schwimmen. Mein letzter Wettkampf vor Heidelberg fand im Februar 2020 statt, daher musste ich erst wieder das „Wettkampfgefühl“ zurückbekommen. Daher war es zwar in Magdeburg schon etwas einfacher, aber ich würde trotzdem sagen, dass mich die fehlenden Rennen beeinflusst haben. Ich hab ein bisschen das „Feuer“ verloren, was aber zum Glück in Berlin wieder zurückkam. Letztendlich müssen wir mit der Situation umgehen und das Beste draus machen.

Du trainierst seit Kurzem mit einem neuen Trainer aus den USA: Luther Jones. Was ist für dich der größte Unterschied im Training mit einem US-Amerikaner im Vergleich zu den deutschen Trainern mit denen du bislang gearbeitet hast?

Christoph: Es gibt einen großen Unterschied! Ich hatte bislang drei deutsche Trainer. Mein erster Trainer in der Jugend war etwas „old school“, das heißt es wurde viel und hart trainiert. Danach wurde ich von Hannes Vitense trainiert. Hier habe ich mich eher auf die 200 m Freistil Strecke fokussiert, daher haben wir deutlich mehr Umfänge trainiert, so dass man das Training schlecht mit dem Training von Luther Jones vergleichen kann. Bei Felix Weins war das Training eine Mischung auch weil wir uns wieder mehr auf die 100 m Freistil konzentriert haben. Aber auch hier lag der Fokus, wie für das deutsche System typisch, mehr auf der Mitteldistanz als auf dem klassischen Sprint. Mit Luther musste ich daher erstmal lernen wie ein richtiger Sprinter zu trainieren. Wir verbringen zwar vergleichbar viel Zeit im Wasser, schwimmen aber nur die Hälfte oder ein Viertel der Kilometer. Am Anfang viel es mir schwer das zu akzeptieren, aber jetzt würde ich sagen, es ist zwar weniger aber dafür härter, da wir mit viel höheren Intensitäten arbeiten. Es ist hart, es macht Spaß und ich würde die Entscheidung einen komplett neuen Weg zu gehen immer wieder so treffen

Andrii, kannst du uns kurz erzählen was dich hier zu uns ins Saarland verschlagen hat?

Andrii: Als die Corona-Pandemie in Europa angekommen ist habe ich erstmal entscheiden eine Trainingspause einzulegen. Durch die Absage der Olympischen Spiele etc. gab es für mich keinen Grund in Form zu bleiben. Nach 6 Monaten Pause bin ich dann direkt eine persönliche Bestzeit geschwommen ohne mich wirklich vorzubereiten. Allerdings habe ich mich unter anderem wegen der Pandemie von meinem brasilianischen Trainer getrennt, so dass ich mehr oder weniger auf mich alleine gestellt war. Gemeinsam mit einem deutschen Trainer, Lukas Brandmeier, habe ich dann die Trainingsplanung übernommen. Mein Ziel ist es, mich über die 50 m Freistil für die Olympischen Spiele zu qualifizieren und ursprünglich war die Vorbereitung in Spanien geplant. Aufgrund der Corona-Einschränkungen war das aber nicht möglich, so dass Luther Jones mich überzeugt hat mich hier auf die Europameisterschaften und eventuell Tokyo vorzubereiten. Luther hatte mich bereits in der Vergangenheit sportwissenschaftlich beraten, daher kam der Kontakt ins Saarland. Insgesamt war meine gesamte Situation aufgrund der Pandemie sehr unsicher, daher bin ich jetzt sehr froh und dankbar über die Möglichkeit hier trainieren zu können.

Wie würdest du die Trainingsbedingungen am Campus hier in Saarbrücken einschätzen?

Andrii: Nach dem ganzen Chaos und den Einschränkungen durch die Corona-Pandemie ist die Landessportschule in Saarbrücken der perfekte Ort um wieder fokussiert zu arbeiten. Zuhause werde ich durch Familie und Freunde häufiger abgelenkt. Hier wohne ich 2 Minuten von der Schwimmhalle entfernt, so dass ich mich sehr gut auf mein Training konzentrieren kann. Luther ist jetzt verantwortlich für mein Schwimmtraining was mir ebenfalls sehr gut tut. Bevor ich nach Saarbrücken kam habe ich mein Training im Wasser quasi selbst geplant, und obwohl ich viel Erfahrung habe und mich auch mit der Trainingswissenschaft befasse, habe ich mich selbst stark unter Druck gesetzt. Daher bin ich jetzt gelöster und kann mich voll auf die Taperphase für die EM konzentrieren.

Du bist viel unterwegs und hast schon einige Trainingsgelände gesehen. Würdest du sagen in Saarbrücken gibt es etwas Besonderes?

Andrii: Ich habe meine Karriere in einem olympischen Trainingszentrum begonnen und ich würde sagen, der Campus hier ist damit vergleichbar. Es gibt Zimmer und Wohnungen quasi direkt an der Schwimmhalle, Universität und Schulen sind in unmittelbarer Nähe - das sind genau die optimalen Bedingungen die man benötigt um Topleistungen zu bringen. Insbesondere die Möglichkeit Wohnung und Trainingsgelände so nah zusammen zu haben ist meiner Meinung nach einzigartig und perfekt um sich auf die Arbeit zu konzentrieren. Für mich ist es einer der besten Orte um mich auf die EM vorzubereiten. Daher bin ich sehr glücklich, dass sich alles so entwickelt hat und ich hier sein kann. Außerdem merke ich schon, dass ich schneller werde – es läuft also super.

Zum Abschluss noch zwei Fragen an euch beide. Wie ist es miteinander zu trainieren?

Christoph: Ich hatte außerhalb von Bundeskaderlehrgängen oder Trainingslager noch nicht oft die Möglichkeit mit jemandem zu trainieren der schneller ist als ich. Vor allem nicht mit einem „echten“ Sprinter auf Weltklasse Niveau. Wenn ich Andrii im Wasser sehe verstehe ich, warum er so schnell schwimmt. Er hat eine unglaubliche Kraft unter Wasser und kann sich sehr schnell bewegen. Daher kann er so schnelle Zeiten schwimmen. Wir haben zum Beispiel eine Einheit gemacht in der wir maximal schwimmen sollten und auf 10 Meter war Andrii vier Zehntel schneller als ich. In solchen Einheiten sehe ich was mir fehlt um so schnell zu sein. Das pusht mich, so dass ich auf einmal 2 Zehntel schneller geschwommen bin. Das Andrii hier ist und wir zusammen trainieren hilft mir mich selbst herauszufordern.

Andrii: Im Training befinden wir uns in unterschiedlichen Zyklen, so dass wir nicht immer zusammen trainieren können. Christoph hatte seine Qualifikation schon und trainiert wieder härter; ich bin gerade am Tapern. Für mich ist vor allem der soziale Aspekt super. Wenn man sich immer nur auf sich selbst fokussiert verliert man manchmal die Perspektive. Christoph hat mir zum Beispiel neuen Input für das Krafttraining gegeben, was viel Spaß gemacht hat. Ich denke für zukünftige Trainingseinheiten ist es auch ein Vorteil, dass ich eher ein explosiver Sprintertyp bin und Christoph aus der Mitteldistanz kommt. Da können wir uns gegenseitig helfen und herausfordern. „Sharing is Caring“.

Was denkt ihr darüber, dass die Olympischen Spiele in diesem Jahr ohne Zuschauer*innen und auch Familie sattfinden müssen?

Christoph: Ich persönlich bin froh, dass ich schon zwei „echte“ Olympische Spiele miterleben durfte. Ich kann mir nicht wirklich vorstellen, dass das Gefühl des „Olympic Spirit“ ohne Zuschauer so richtig aufkommen wird. Es wird sich wahrscheinlich eher wie ein virtueller Wettkampf anfühlen. Es wird wohl auch nicht möglich sein, einen Einblick in das Land und die Kultur zu bekommen, da die Einschränkungen wahrscheinlich sehr stark sein werden. Ich kann mir daher nicht vorstellen, dass eine olympische Atmosphäre aufkommen wird – was sehr traurig ist.

Andrii: Natürlich ist es schade, dass keine internationalen Zuschauer*innen dabei sein werden. Aber ich habe die Hoffnung, dass zumindest Japaner*innen dabei sein können, da die Pandemie in dem Land nicht so schlimm zu sein scheint. Ich hoffe, dass die Spiele trotzdem eine Zeit zum Feiern und fröhlich sein werden.

Vielen Dank euch beiden für euer Zeit und alles Gute für die anstehenden Wettkämpfe!